PARDAUZ! SCHNUPDIWUP! KLIRRBATSCH! RABUM! Ein Wilhelm-Busch-Bilderreigen
von Rebekka Kricheldorf & Hannah Zufall | Ensemblestück
Es gab Zeiten, da fehlten seine Werke in keinem deutschen Haushalt. Und mochte die Hausbibliothek noch so schmal sein, »Das große Wilhelm Busch Album« gehörte zum Wohnzimmer wie die Schrankwand, in deren Regal es zwischen anderen Buchclub-Ausgaben stand. Meist Buchdeckel an Buchdeckel mit Loriots »Großem Ratgeber« und Erich Kästners »Lyrischer Hausapotheke«, eine unerschöpfliche Quelle geflügelter Worte, eine Bildungsbehauptung, die nicht immer durch Lektüre belegt war. Sonst wäre wohl das Missverständnis vermieden worden, es handele sich bei seinen Bildergeschichten um harmlose Humoresken, die vor allem als Bilderbuchersatz für Kinder herhalten mussten. Den anarchistischen Humor zu entdecken, der im Werk dieses Volksdichters und frühen Comic-Autors steckt, und der genau auf jene Spießbürger zielt, die ihn zur Zierde ihrer Schrankwand auserkoren hatten, blieb Kennern vorbehalten.
Was aber denken die Helden von Wilhelm Busch eigentlich über den Autor, dem sie ihr Leben verdanken? Über diesen Einzelgänger, der zurückgezogen in der Provinz lebte, die Werke, die ihn berühmt gemacht hatten, wenig wertschätzte und der so gerne ein berühmter Maler oder Autor geworden wäre? Rebekka Kricheldorf und Hannah Zufall verwandeln das Deutsche Theater Göttingen in eine Stätte der Begegnung mit Wilhelm Busch und seinen Figuren, die an diesem Abend nicht nur die Bühne, sondern das ganze Theater in Beschlag nehmen werden.
Pressestimmen
"Geschrieben ist der Text von Rebekka Kricheldorf und Hannah Zufall, die damit versuchen, Busch für das 21. Jahrhundert neu zu verhandeln: Den schwarzen Humor, der so gar nicht in die Zeit passen will, aber auch die Selbstzweifel und Depressionen des Künstlers, die sich, wenn man sie so lesen will, in seine Figuren umgelagert haben. […] Feminismus, die Frage danach, ob all die Gewalt lustig ist oder nicht, die Frage, ob Max und Moritz die Produkte von familiärer Gewalt sind, die Psychologie der Figuren und inwieweit sich Rückschlüsse auf ihren Schöpfer schließen lassen, nur, um das gleich wieder wegzuwischen mit der Bemerkung, "Küchenpsychologie" bringe einen auch nicht weiter. Möglich, dass all das bröckeln soll, dass hier gar kein Fokus entstehen soll – schließlich ist es ein 'Bilderreigen'. […] Das ist einerseits schade – andererseits aber auch beeindruckend verdichtet, und trotz der zweieinhalb Stunden ist der bröckelig-dichte Abend dann doch zu schnell vorbei." Jan Fischer, nachtkritik.de, 25.06.2022
"Generell haben die modernen Zeiten sehr viel Platz an diesem Abend. Witwe Bolte und die Fromme Helene etwa streiten um die zeitgenössisch korrekte Haltung des Feminismus zum Busch-Werk: Helene sieht von heute aus betrachtet und obwohl sie als Figur ja in der Hölle endet, die eigene Geschichte als radikalen Selbstbewusstseinstrip, während die Witwe Bolte darauf beharrt, dass dieser alte weiße Mann vor allem Frauenhasser war. Ziemlich heftig streitbar und durcheinander geht es zu auf dieser schrägen Jahrestagung, anders als am Beginn des Abends, der ist gemütlich. Mit viel Reflektion und Remmidemmi darüber versehen, wie und ob überhaupt das Werk des Alten noch passt zur Zeitgenossenschaft. […] Die anwesenden Tiere sind stark. […] Nachdrücklich hält die Parze als weise Stimme aus dem Jenseits der ganzen politisch überkorrekten Gegenwart Angst und Schrecken, Untergang und Todesarten jeder Art entgegen. Das ist dann gar nicht mehr komisch, aber ganz und gar Busch. Gerade, wer über ihn lieber lacht, sollte ihn fürchten." Michael Laages, Deutschlandfunk, 25.06.2022