Freund Hein. Ein Audio-Walk mit dem Tod
für 4 Sprecher:innen
Wir haben uns entfremdet von unserem alten Freund Hein. Er riecht ja auch etwas streng und neigt zu einem recht makabren Humor. Vor allem will er sich partout nicht in unser sorgsam gepflegtes Leben integrieren. Kaum einer lädt Freund Hein noch gern zu sich nach Hause ein. Auf Partys will keiner mit ihm tanzen. Also trifft man ihn immer seltener und niemand erwähnt ihn gerne. So versteckt er sich diskret in Krankenhäusern und Hospizen und fährt in unauffälligen Lieferwagen. Doch wir werden ihn nicht los. Freund Hein wird stets den letzten Beitrag in unserer timeline schreiben.
Gerade in Zeiten, in denen wir meinen, alles mehr und mehr steuern zu können, ist der Tod eine Zumutung geworden, die wir möglichst weit von uns fernhalten wollen. Wir glauben, mehr mit der glatten Oberfläche eines Smartphones zu tun zu haben als mit dem toten Vogel am Straßenrand. Wer schreibt schon sein Testament in jungen Jahren oder macht sich Gedanken über seinen facebook-Nachlass. Wer weiß schon, was eigentlich passiert in den letzten Tagen und Stunden unseres Daseins und dass uns ausgerechnet die eigene Netzhaut lange überlebt. Vielleicht geht es deswegen mit blindem Vertrauen ins Jenseits. Für alle anderen endet es bereits im Krematorium. Aber ist das ein Grund, auf Friedhöfen nur noch traurig und leise zu sein? Es gab Zeiten, wo es äußerst beliebt war, mit Freund Hein zwischen Gräbern zu feiern und zu tanzen. Doch der Tod ist schüchtern und still geworden und weicht aus dem öffentlichen Leben – mehr als Zeit, mit einem theatralen Trauerzug auf seinen Spuren zu wandeln.
Pressestimmen
„Entstanden ist ein eigenständiges Format, das den philosophisch wie auch poetisch dichten Text Zufalls berührend zum Klingen bringt. […] Mit Smartphone und Kopfhörern begeben sich die Zuschauerinnen und Zuschauer auf eine Reise, die schmerzt. […] Hannah Zufall, die mit David Gieselmann, Maja Das Gupta, Konstantin Küspert, Anne Rabe und Lars Werner über Twitter das Stück „Corona Monologe. Oder wie geht man auf Distanz“ entwickelt, hat ihren tiefenscharfen Text überzeugend ins neue Format übertragen. […] Bei aller technischen Perfektion, die die von Ilja Mirsky programmierte App hat, verhehlt das Ensemble Grenzen des Mediums nicht. Augenblicke des Schweigens legen den Verlust künstlerischer Möglichkeiten schonungslos bloß.“ Elisabeth Maier, Theater der Zeit (Juni 2020)
"Der Audio-Walk "Freund Hein" des Tübinger Zimmertheaters ist großes Kopfkino, dessen Szenen machen einen mal ängstlich, mal einsam unter Menschen. Man grinst auch mal, man gruselt sich – oder ist gerührt. Unmittelbar danach ist es schwer vorstellbar, dass ein konventionelles Theaterstück ebenso intensiv wirkt." Bertram Schwarz, SWR
"Dramaturg Ilja Mirsky hat eine kinderleicht zu handhabende App eingerichtet, die den poetischen Tiefgang von Hannah Zufalls philosophisch dichtem Text wunderschön zum Klingen bringt. „Freund Hein“ ist ein allegorischer Name für den Tod. Obwohl das Projekt lange vorher geplant war, gewinnt die Thematik durch Corona Brisanz. (...) Doch der Spaziergang, der auf dem Stadtfriedhof endet, hat selbst dann noch vergnügliche Momente, wenn die Flaneure mit ihren Kopfhörern längst zwischen Grabsteinen berühmter Literaten und Engelsfiguren wandeln." Elisabeth Maier, Eßlinger Zeitung
"Das Thema Tod im Kopfhörer scheint sofort im Leben angekommen. (...) Der Audio Walk (...) rührt an. Manchmal gruselt man sich auch ein wenig oder ist amüsiert über bissig gelungene Sätze." SWR 4
"Die Idee klingt wahnsinnig spannend, aber auch so, als könne sie kompliziert sein und viel Raum für technische oder menschliche Fehler lassen. Die Umsetzung bestätigt diese Befürchtung nicht: Der Ablauf funktioniert reibungs- und kontaktlos. (…) Die Stimmen der Ensemble-Mitglieder verbinden Tod mit Sex, Familie, Einsamkeit und zeitgemäß auch direkt mit Corona. (…) So fühlt es sich an, als bekäme man von verschiedenen Freunden ihre Gedanken zum Thema Tod erzählt." Marco Keitel, Schwäbisches Tagblatt
"Es soll um das Grundsätzliche gehen, nicht speziell den Tod in Corona-Zeiten. (…) Beim Audio-Walk durch Tübingen ist er unter anderem als »fröhlicher Tod«, als »Tödin« oder als »zeitlicher Tod« dabei, kommt mal milde und zur Reflexion anregend, mal keck, mal poetisch, mal klinisch und nüchtern daher. (…) Bevor am Ende dieses gleichermaßen sinnlichen wie aufwühlenden Audio-Walks Jim Morrisons Stimme mit den Songzeilen »This is the end, beautiful friend« erklingt, kriecht einem Freund Hein ins Ohr und erinnert daran, dass wir uns »stetig auf den Tod zu bewegen«. Warum nicht ihm hin und wieder zuzwinkern? Und die »Genugtuung und Freunde dabei spüren, dass es noch nicht so weit ist«." Christoph Ströhle, Reutlinger Generalanzeiger